Herzlich Willkommen in meiner kleinen aber feinen Kolumne.
Mein Name ist Dr. Manfred Lukaschewski oder kurz: Dr. L
Regelmäßig werde ich hier bei CORPUS DELICTI in dieser Rubrik Texte und Fotos zu den interessantesten Fakten rund um das Feld der Tötungsdelikte veröffentlichen.Gerne beantworte ich Ihre Fragen zu missverständnissen in TV und Film, oder berate Sie in Fragen der Recherche für ihren Kriminal-Roman.
Schreiben Sie an: dr_lukaschewski@hansa-ideal.de
Die folgenden Bilder sind zum Teil sehr morbide!
Da es sich um forensiche Aufnahmen handelt, die keiner Altersfreigabe unterstellt sind,
sollten Sie sich zwei-, oder lieber dreimal überlegen, ob Sie diese Bilder in Ihren "kortex memorandum"
(das Erinnerungszentrum Ihres Gehirns) aufnehmen wollen.
Wenn nicht, sollten Sie jetzt auf eine andere Seite auf dieser schönen Homepage klicken.
Allen anderen wünsche ich morbie Unterhaltung...Ihr Dr. L.
Wasser spielt in der kriminalistischen Praxis eine nicht unwichtige Rolle, kann es doch Tatwerkzeug, Versteck oder Transportmittel sein. Zu bedenken ist: Vitale Verletzungen können durch die Wasserlagerung überdeckt werden! Die Intensität von Strangmarken oder Drosselfurchen am Hals kann abnehmen und Stauungsblutaustritte können vollständig ausgewaschen werden.Besondere Untersuchungen bei Wasserleichen umfassen den Nachweis von Kieselalgen (Diatomeen), die mit der Ertrinkungsflüssigkeit in den Blutkreislauf gelangen können. Hierfür sollten Lebergewebe, Knochenmark und Nierengewebe sichergestellt werden. Eine Vergleichsprobe ist zeitnah zum Bergen der Leiche aus dem Ertrinkungsmedium (auch Badewanne!) zu entnehmen.
Im allgemeinen sind Wasserleichen mit dem Kopf nach unten treibend aufzufinden (in Tümpeln auch annähernd stehend oder im Stehen treibend), die Arme hängen nach unten, ebenso Knie und Fußspitzen).
Kurzer Aufenthalt: Gesicht des frisch Ertrunkenen blaß
Langer Aufenthalt: Kopf im Bereich der Hypostase rot bis blauviolett (Totenflecke), später stark durch Hypostase verändert und angeschwollen.
Bei noch längerer Liegedauer - Durchschlagen des Venennetzes an der Brusthaut.
Bei fließenden Gewässern (Treibspuren): Abschleifzeichen am Kopf und Handrücken, Fuß bzw. an Schuhspitzen
Bei reißenden Strömen: Abschleifen der Schädeldecke mit Herausspülen des Gehirns. Aufschleifen des Schädels kann auch bei geringer Strömung zustande kommen oder wenn Leiche mit Kopf gegen eine Betonwand (Kaimauer) die Schlingerbewegung des Wassers mitmacht.
Faustregeln:
Waschhautbildung:
3 Stunden Waschhaut an Fingerspitzen
3 weitere Stunden Hohlhand (Waschfrauenhand)
3 Tage Hohlhand weiß
3 weitere Tage Beginn der Ablösung der Haut
3 Wochen Haut handschuhartig mit Fingernägeln abziehbar
In kaltem bis sehr kaltem Wasser 1 - 2 Monate!
Gänsehautbildung ist eine unsichere vitale Reaktion der Haut auf kaltes Wasser. Sie kann bis drei Tage anhalten (Liegezeitbestimmung).
Fingerabdrücke bei unbekannten Wasserleichen:
Frische Wasserleichen: Finger säubern und trocknen, ansonsten wie bei Lebenden
2 - 3 Tage alte Wasserleichen: Injektion von bestimmten Mitteln (Paraffinöl, Glycerin). Injektion von erhitztem Stearin, das im Gewebe fest wird, unter die Cutis.
Bei beginnender Lösung der Waschhaut ist eine Abnahme der Fingerabdrücke am Fundort nicht mehr durchzuführen, sondern der Gerichtsmedizin zu überlassen!
Bei der äußeren Leichenschau lassen sich zunächst Befunde erheben, die dem Aufenthalt bzw. der Lagerung im Wasser zuzuordnen sind, wie Durchfeuchtung der Bekleidung, Befeuchtung der Haare und
Hautoberfläche. Weiterhin finden sich die oben bereits thematisierte „Waschhautbildung“ sowie Ablagerungen von Schlamm- und Algenrasen oder eine Umwandlung des Unterhautfettgewebes in eine
kreidige, teigige Masse (sogenanntes „Fettwachs“ [Adipocire: kommt infolge hydrolytischer Spaltung des Körperfetts in Glyzerol und Fettsäuren zustande. Sauerstoffmangel und feuchte Umgebung
fördern die Bindung von Wasserstoff und Alkalien, es kommt zu einer allmählichen Verfestigung der Fette.
Die Fettwachsbildung bedarf der Anwesenheit bestimmter anaerober (sich nur unter Luftabschluss entwickelnder) Keime. Sie ist in der Regel erst nach einem Jahr abgeschlossen, beginnt jedoch
-insbesondere bei Wasserleichen- schon nach wenigen Wochen; in einzelnen Fällen kann die Umwandlung offenbar auch rascher vor sich gehen, was bei Liegezeitschätzungen berücksichtigt werden
sollte.
Die gebräuchliche Bezeichnung Fettwachs hat sich als chemisch falsch erwiesen.
Das Umwandlungsprodukt enthält kaum Fett und kein Wachs, sondern besteht hauptsächlich aus gesättigten höheren Fettsäuren (vor allem Palmitin- und Stearinsäure).
Es wird besser als Leichenlipid bezeichnet.]) bei mehrmonatigem bis jahrelangem (?) Aufenthalt im Wasser.
Der Austritt von schaumigem Inhalt aus der Mundhöhle (sogenannter Schaumpilz) kommt durch eine Vermischung von Luft, eingeatmetem Wasser und Sekret der Atemwegsdrüsen zustande und deutet auf
einen vitalen Ertrinkungsvorgang hin.
Differentialdiagnostisch ist allerdings zu bedenken, dass ein eher rötlicher Schaumpilz auch bei jeder Form der Gewebswassersucht der Lungen auftreten kann, aber auch bei einer Betäubungsmittelvergiftung.
Die Obduktionsbefunde beim Ertrinkungstod umfassen die trockene Blähung der Lungen („Emphysema aquosum“), eventuell die Einatmung von Speisebrei, Einrisse der Schleimhaut im Mageneingang
(„Sehrt´sche Schleimhautrisse“) sowie eine Verwässerung des Mageninhaltes mit Dreischichtung in Schaum, Wasser und feste Nahrungsbestandteile („Wydler´sches Zeichen“ [ Das Wydler-Zeichen kann
als diagnostisches Kriterium des Ertrinkungstodes herangezogen werden, besitzt jedoch keinen beweisenden Charakter.])
Befunde mit geringerem Beweiswert sind die Vermehrung des flüssigen Inhaltes der Keilbeinhöhle („Svechnikov-Zeichen“) sowie verwaschene Unterblutungen des Lungenfelles („Patauf´sche
Flecken“)
Werden bei der äußeren Leichenschau bzw. Obduktion Verletzungen festgestellt, so ist zu klären, ob diese einer Verursachung durch Kampfhandlungen oder einem Sprung/Sturz ins Wasser zuzuordnen
sind.
Differentialdiagnostisch abzugrenzen sind nach Eintritt des Todes im Wasser entstandene Verletzungen, z.B. durch Schiffsschrauben, Verhaken in Rechen, Fischfraß oder Bergung.
Treibverletzungen sind in charakteristischerweise an Stirn, Kinn, Handrücken, Streckseite der Kniegelenke und Zehenspitzen lokaöisiert, da Leichen in der Regel in Bauchlage treiben.
Wird immer wieder gern genommen - GIFT.
In der kriminalistischen Praxis als Mordmittel nicht dominante Rolle, aber lest selbst:
Giftmord
In der Gegenwart spielt der Giftmord und das Mordgift eine untergeordnete, aber trotzdem nicht unwichtige, Rolle im Tätigkeitsfeld des forensischen
Toxikologen.
Aktuelle Aufgabenbereiche der forensischen Toxikologie sind im Wesentlichen:
→ Tod durch Giftmord
→ Tod im Badezimmer
→ Tod im Krankenhaus/Pflegeheim/Altenheim
→ Tod im Säuglings-/Kleinkindalter
→ Tod mit konkurrierenden Ursachen
→ Tod durch Gewalteinwirkung nach toxischer Beeinflussung
Im 19. Jahrhundert wurden 90 % aller Giftmorde mit Hilfe von Arsenverbindungen durchgeführt. Im Zuge der Entwicklung entsprechender Nachweismethoden, wie z.B. der Marshschen Proben (die
MARSH-Probe ist eine klassische Nachweisreaktion der Gerichtsmedizin für Arsen, Antimon und Germanium.
Sie wurde 1836 von dem englischen Chemiker James Marsh entwickelt.
Arsenik wird durch nascierenden Wasserstoff zu gasförmigem Arsenwasserstoff reduziert. Diese Verbindung zerfällt in der Hitze zu schwarzem, elementaren Arsen und Wasserstoff und kann dadurch
nachgewiesen werden.), wichen Giftmörder zunehmend auf Stoffe aus, die man nur schwer oder gar nicht nachweisen konnte.
Tödliche Arsenvergiftungen sind heute kaum noch zu registrieren. Möglicherweise gehört der Giftmord mittlerweile auch deshalb zu den selteneren Tötungsarten, weil die moderne analytische
Toxikologie in der Lage ist, nahezu alle toxischen Noxen (Krankheitsverursacher) in Körperflüssigkeiten und im menschlichen Gewebe hochempfindlich nachzuweisen. ABER EBEN NICHT ALLE!
Da nicht jedes tödlich wirksame Gift charakteristische Spuren und Symptome offenbart, steht die forensische Toxikologie zudem ständig vor dem Problem der Eingrenzung bzw. Erweiterung des
durchschnittlichen Analysespektrums.
Daher kommt es bei der Todesermittlung ohne eindeutigen Hinweis auf die Todesursache sehr darauf an, jegliche Spuren am Ereignisort, die auf eine toxische Noxe hinweisen könnten, zu sichern:
Behältnisse, Textilien (Lappen), Watte, Löffel, Getränke, Lebensmittel, Speisereste, Medikamente (Medikamentenverpackungen), Erbrochenes, Kotreste, Urin etc.
Auch das Umfeld des Ablebensortes (z.B. landwirtschaftlicher Betrieb, veterinärmedizinische Praxis, Krankenhaus) und des möglichen Tatverdächtigen (Ausbildung in medizinischen,
pharmazeutischen oder chemischen Fachgebieten oder Auffinden entsprechender Literatur) können bei unklaren Todesursachen eine Assoziation zu einem Giftmord hervorrufen und wertvolle
Indizienbeweise liefern.
Ist erst einmal ein bestimmtes Mordgift nachgewiesen, lässt sich die Beweisführung ggf auf eine Indizienkette stützen, wenn nicht hierdurch gar die Geständnisbereitschaft des/der
Tatverdächtigen gefördert wird.
Ein taugliches Mordgift weist im Wesentlichen folgende Eigenschaften auf:
► schnell wirksam
möglichst geschmacks- und geruchsneutral, niedrig dosierbar, unauffällig applizierbar, möglichst ohne äußerlich erkennbare Zeichen wirkend
► langsam wirkend
Krankheitssymptome verursachend, kumulativ wirkend, nicht therapierbar
Entscheidend ist, dass bei einem Giftmordverdacht eine möglichst zeitnahe Obduktion mit umfassender Asservierung wichtiger Körpermaterialien stattfindet, an denen der Toxikologe mögliche
Giftspuren nachweisen kann.
Toxikologisch relevante Asservate sind solche, die den Weg eines Giftes durch den Körper, von der Aufnahme bis zur Ausscheidung oder Speicherung widerspiegeln:
► Magen- (inhalt)
→ Wichtigstes Asservat bei der oralen Zufuhr von TRS (TRS = toxikologisch relevante Stoffe).
Bei schnell wirksamen Giften verbleiben in der Regel noch erhebliche Reste nicht resorbierter Anteile, die möglichst einer quantitativen Analyse unterzogen werden sollten, um Rückschlüsse auf
die Dosierung zu ermöglichen.
► Blut (Herz, Oberschenkelvene)
→ Das Blut ist toxikokinetisch das zentrale Kompartiment, an dem sich die Beurteilung der gemessenen Giftkonzentration am einfachsten durchführen lässt.
Die Nachweisbarkeit von TRS öiegt hier allerdings nur im Stundenbereich.
► Gallenflüssigkeit
→ Viele Stoffe werden bei der Leberpassage in die Gallenflüssigkeit abgegeben. Manche gelangen von dort über den Darm wieder ins Blut, mit der Folge, dass sie länger, z.B. auch noch wenige Tage nach der Aufnahme, nachweisbar sind.
► Urin
→ Urin ist die Sammelflüssigkeit der über die Nieren ausgeschiedenen Stoffe, die dort länger als im Blut nachweisbar sind.
Je nach Eigenschaft lassen sich TRS -bzw. deren Abbauprodukte- wenige Tage, in Ausnahmefällen sogar noch nach Wochen nachweisen.
► Haare (Kopf, Achsel, Schambereich)
→ Haare als Speichermedium aus dem Blut abgegebener TRS (Drogen, Medikamente, Gifte) waren in den vergangenen Jahren Thema intensiver Forschungsarbeiten.
Sie sind heute ein wichtiges Beweismittel in der Forensik.
Bei chronischer Aufnahme von TRS lassen sich sogar Konzentrationsprofile erstellen.
► Lungengewebe
→ Die Lunge ist die Eintrittspforte inhalierter TRS und daher wie Mageninhalt ein wichtiges Beweismittel für den Nachweis
► Lebergewebe
→ Die Leber ist das Hauptorgan für die Versatoffwechselung von TRS.
Hier finden sich bei Vergiftungen regelmäßig Hinweise auf toxische Stoffe und deren Abbauprodukte.
► Nierengewebe
→ Als wesentliches Ausscheidungsorgan enthält das Nierengewebe als letztes die TRS, so dass hier ein Nachweis im Vergleich zu anderen Organen noch relativ lange möglich ist.
► Hirngewebe
→ Bei allen zentralnervös wirksamen TRS ist das Gehirn Hauptzielorgan.
Diesem Asservat kommt daher eine wichtige Bedeutung beim Nachweis zu.
► Knochenmark (Oberschenkel, Oberarm)
→ Im Knochenmark findet die Synthese der roten Blutkörperchen statt. Daher wird es entsprechend gut durchblutet.
Dieses Asservat eignet sich besonders bei starker Leichenverwesung, da es mechanisch sehr dicht geschlossen ist und eventuelle Spuren einer Giftbeibringung sehr lange konserviert (z.B. bei
Wasserleichen, exhumiertenToten).
► Augenkammerflüssigkeit
→ Die Augenkammerflüssigkeit hat in ihrer Zusammensetzung eine enge Verbindung zum Plasmawasser.
Diese Flüssigkeit ist ähnlich wie das Knochenmark mechanisch gut geschützt und für toxikologische Nachweise sehr geeignet.
► Fettgewebe (Unterhaut)
→ Das Fettgewebe nimmt von den TRS diejenigen extensiv auf, die man als lipophil (fettliebend) bezeichnet.
So finden sich z.B. flüchtige organische Lösungsmittel besonders gut im Fettgewebe.
Temperatureinwirkung ist nicht auf Hitze beschränkt, auch das Gegenteil spielt eine nicht unerhebliche Rolle...
Unterkühlung
Stadien der Unterkühlung
Bei der allgemeinen Unterkühlung lassen sich vier Stadien unterscheiden:
→ Stadium 1
Abwehrstadium (Körperkerntemperatur 36 – 35°C), Muskelzittern, Euphorie, paradoxes Wärmeempfinden, zunehmende Müdigkeit, blaß-blaue Hautfarbe, Steigerung von Herzfrequenz und Blutdruck,
→ Stadium 2
Erschöpfungsstadium (Körperkerntemperatur 34 – 32°C), ungelenke Bewegungen, Entscheidungsschwäche, kein Muskelzittern mehr, nachlassende Schmerzempfindung, Absinken von Herzfrequenz und Blutdruck,
→ Stadium 3
Lähmungsstadium (Körperkerntemperatur weniger als 30°C), schlaffe Muskellähmung, Bewusstlosigkeit, weiteres Absinken der Herzfrequenz,
→ Stadium 4
Finalstadium (Körperkerntemperatur weniger als 28°C) keine Muskelreflexe, keine Pupillen- und Schmerzreaktionen, tiefe Bewusstlosigkeit, vita minima, Herzkammerflimmern bis Herzstillstand, Tod.
Eine akute Unterkühlung kann bereits innerhalb weniger Stunden, meist von 5 bis 7 Stunden zum Tod führen. (Temperaturen von 4 bis 8°C reichen dafür aus!)
Todesfälle durch Unterkühlung treten auf, wenn ein Wärmeverlust des Organismus nach außen nicht mehr durch Wärmebildung ausgeglichen werden kann.
Unterkühlungsgefahr (neben den oben erwähnten) besteht bei Aufenthalt im Wasser schon ab Außentemperaturen von 10° C bzw. 20° C.
Die maximale Überlebenszeit bei Aufenthalt in 20° C warmen Wasser beträgt ca. 40 Stunden und sinkt auf 2 Stunden bei einer Wassertemperatur von 5° C.
Besonders gefährdet sind Kinder (ungünstige Relation zwischen Körpergewicht und Körperoberfläche), ältere Menschen bei Krankheit oder körperlicher Schwäche sowie Alkoholisierte (Folge der erhöhten Hautdurchblutung).
Von der allgemeinen Kältewirkung auf den Organismus mit der Folge einer Hypothermie (Unterkühlung) abzugrenzen ist die lokale Kälteeinwirkung in Form des Erfrierens von peripheren Körperanteilen.
Bei jedem Kältetod muss die zur Unterkühlung führende Ursache geklärt werden: Alkohol? Drogen? Medikamente? Demenz? Kachexie (pathologischer Gewichtsverlust)? Organische Erkrankungen?
Unterernährung? Körperlich begründete Bewegungsbehinderung?
Kälteidiotie
Der Begriff meint ein im Zustand der Unterkühlung stattfindenes, rational nicht nachvollziehbares Verhalten, das unter der Annahme einer paradoxen Wärmeempfindung zur vollständigen oder teilweisen Selbstentkleidung führt (häufig Entkleidung des Unterkörpers, urindurchtränkte Kleidung). Die Auffindesituation kann zu der Fehlannahme eines Sexualdeliktes führen.
Zu den am Leichenfundort bedeutsamen Feststellungen gehören beim Tod durch Unterkühlung folgende Einflussfaktoren und Befunde:
→ Bekleidungszustand des Leichnams (ein-, zwei-, oder dreilagige Kleidung)
→ Zustand der Bekleidung (insbesondere trocken oder nass)
→ Raumtemperatur (gemessen in Höhe des Leichnams)
→ Körperkerntemperatur (gemessen als tiefe Rektaltemperatur mit einem geeichten Spezialthermometer
→ Bodentemperatur (besonders bei größerer Kontaktfläche zwischen Leichnam und Boden)
→ weitere Kältequellen (offenes Fenster, offene Tür, Luftzug)
→ Hinweise auf eine präexistente Hyperthermie (fiebrige Erkrankung ante mortem)
→ sogenannte Pernionen (Frostbeulen) am Leichnam
Der Tod durch Unterkühlung tritt bei einer Körperkerntemperatur unterhalb von 28° C durch
Herz-Kreislazf-Stillstand ein. Die bei der äußeren Besichtigung feststellbaren lokalen Kälteschädigungen umfassen Blasenbildung und Gewebsuntergang.
Bei systemischer Unterkühlung sieht man hellrote Totenflecke sowie blau-livide oder braun-rötliche nicht unterblutete Hautverfärbungen über Knien und Ellenbogen.
Bei der inneren Besichtigung finden sich zahlreiche schwärzlich eingeblutete Defekte der Magenschleimhaut (sogenannte Wischnewski-Flecken) sowie eventuell streifige Einblutungen in den
inneren Lendenmuskeln („Psoasblutungen“).
Bild zeigt lokale Schädigung durch Kälte
Thermische Vorgänge spielen in der kriminalistischen Ermittlungspraxis eine nicht unerhebliche Rolle:
Thermische Schädigungen
Einwirkungen von Hitze und Kälte (thermische Schädigungen) finden sich unfallbedingt in Form von Verbrühungen (Einwirkung von heißen Flüssigkeiten oder Dämpfen auf den Menschen. Sie rufen lediglich die Verbrennungsgrade eins bis drei hervor, Haare bleiben unversehrt.) und Verbrennungen (man kann drei Kategorien von Verbrennung benennen:
→ mit einer Flamme (leuchtende Gaswolke) oder Glüherscheinungen verbundene Reaktion eines brennbaren Systems.
Dabei wird chemische Energie in Wärmeenergie und weiter in Strahlungsenergie umgewandelt.
Die Verbrennungsrückstände können gasförmig (Rauch), flüssig (Kondensate an kalten Flächen) und fest (Asche) sein.
→ Energieumwandlungsvorgänge bei chemischen und biologisch-chemischen Reaktionen, die bei niedrigen Temperaturen (oft kleiner als 50°C) in lebenden Organismen oder organischen Stoffen ablaufen (Selbsterwärmung).
→ Medizinischer Begriff für Gewebezerstörung infolge Einwirkung thermischer Energie.), aber auch als gezielte Beibringung zur Tötung oder zur Verdeckung eines Tötungsdelikts.
Circa 10 – 20 % aller misshandelten Kinder sollen hitzebedingte thermische Verletzungen aufweisen.
Kälteschäden sind hingegen vergleichsweise selten Folge einer Straftat, es handelt sich vor allem um Todesfälle durch Unterkühlung, verbunden mit der Fragestellung, wie die verstorbene Person in den Zustand der tödlichen Unterkühlung geraten konnte.
Verbrühungen
Verbrühungen treten ab einer Temperatur von 44° C bei einer Einwirkungsdauer von 6 Stunden auf (Referenzwert). Die Intensität der Schädigung wird maßgeblich bestimmt von in der Tiefe des
Gwebes erreichten Temperatur, also von der Wärmekapazität und der Wärmeleitfähigkeit der Gewebeschichten, die zur Tiefe hin radiär exponentiell abnimmt.
Die Wärmeleitfähigkeit heißer Dämpfe und Gase ist im Vergleich zu Festkörpern gleicher Temperatur deutlich höher.
Heiße Dämpfe von mehr als 100° C führen bei Einatmung zur Erhöhung der Temperatur in der Mundhöhle, im Larynx (ein Knorpelgebilde, dass die Speiseröhre von der Luftröhre trennt) und in der
Trachea. Bei diesem sogenannten Inhalationstrauma kommt es in Abhängigkeit von der Temperatur der inhalierten Dämpfe bzw. Gase zu einer Hitzeschädigung der Atemwege.
Verbrennungen
Verbrennungen werden durch Kontakt mit Flammen oder heißen Gegenständen verursacht. Verbrennungen können je nach Tiefenausdehnung der Hitzeeinwirkung in vier Klassen unterteilt werden:
► Grad I
Hautrötung durch Erweiterung der kleinen Blutgefäße in den oberflächlichsten Hautschichten
► Grad II
Blasenbildung in der gesamten Schichtdicke der Haut („Sonnenbrand“)
► Grad III
Nekrose (Gewebszerstörungen) von Haut und Unterhautfettgewebe (bei Überleben folgt Narbenbildung)
► Grad IV
Verkohlung, die auch die tieferen Gewebeschichten und Knochen betreffen kann-
Die Prognose einer Verbrennung hängt ab von der Flächenausdehnung, von der Tiefe, vom Lebensalter und von der Schwere einer eventuell zusätzlich vorliegenden Hitzeschädigung der Schleimhautauskleidung der Atemwege.
Die Flächenausdehnung wird unter Anwendung der sogenannten Neunerregel abgeschätzt. Beim Erwachsenen entfallen 9 % der Körperoberfläche auf Kopf und jeden Arm, jeweils 18 % auf die
Vorderseite des Rumpfes, auf die Rückseite des Rumpfes und auf jedes Bein.
Beträgt die Summe von Lebensalter und Flächenausdehnung der zweit- und drittgradigen Verbrennungen mehr als 100, so liegt die Überlebenschance bei maximal 50 %.
Forensisch ist neben der Flächenausdehnung auch das Verteilungsmuster der Verbrennungen von Bedeutung, da es zu Rekonstruktion rechtlich erheblicher Geschehensabläufe beitragen kann.
Verbrennungszeichen
Vitale Zeichen beim Verbrennen
→ Einatmen von Ruß in die tiefen Atemwege
→ Verschlucken von Ruß bis in den Magen oder oberen Dünndarm
→ Rauchgasinhalation (autoptisch hellrote Totenflecken und lachsrote Muskulatur, toxikologischer Nachweis eines erhöhten CO-Hb-Wertes und von Cyaniden
→ Hitzeschädigungen der Deckzellschicht der Aremwege (Opfer muss geatmet haben)
→ „Krähenfüße“ (schmalstreifige Aussparungen der Berußung der Augenlider bei reflektorischem Zukneifen der Augen), Wimpernzeichen (abgesengte Wimpernspitzen durch reflektorisches Zusammkneifen der Augen)
Postmortale Zeichen beim Verbrennen
→ Hitzerisse der Haut
→ Fechterstellung der Gliedmaßen
→ sogenanntes „Brandhämatom“ (Ansammlung von ziegelrotem oder bräunlichem Blut zwischen Schädelknochen und harter Hirnhaut
In seltenen Ausnahmefällen kann ein Hitze- und Flammentod ohne die oben genannten Vitalitätszeichen vorliegen. Nach Ausschluss eines natürlichen Todes in zeitlichem Zusammenhang mit dem Brandausbruch und eines Mordbrandes kommen folgende Erklärungen in Betracht:
→ Zyanidvergiftungen
→ „flash-fire“ (Atemstillstand über eine Verkrampfung der Kehlkopfmuskulatur, einen Reflex oder einen Inhalationshitzeschock
→ Sauerstoffmangel bei massiver Sauerstoffzehrung im Brandherd
→ sogenannter Hitzeschock (Umverteilung des zirkulierenden Blutvolumens infolge der Hitzeeinwirkung auf die Haut
→ Hitzestarre (Beeinträchtigung der Atembewegungen des Brustkorbes durch eine schlagartig entstehende Hitzestarre
Wird die Verbrennung primär überlebt, so können Spättodesfälle in Folge toxischer Organschäden durch Eiweißzerfall, bei Blutungen aus Stressgeschwüren des Magens oder bei generalisierter
Entzündung als Folge einer Keimbesiedlung der verbrannten Haut eintreten.
Bei einem Brandtodesfall sind Blut aus dem Hirnsinus und der rechten Herzkammer für eine Untersuchung auf CO-Hämoglobin, Asservate für eine Zyanidbestimmung und Asservate für eine
Untersuchung auf leicht flüchtige Substanzen (Brandbeschleuniger, Proben von Blut, Lungengewebe, Hirngewebe und Unterhautfettgewebe, „Head-Space“-Röhrchen zur Verhinderung eines
Substanzverlustes an die Umgebungsluft) sicherzustellen.
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